Weiße Laken in Palo Alto, im Tal der Schnelldenker, Silicon Valley. Da wollte er auch hin!
Es war beides in der Schublade des Nachttisches, auf der Bibel steht der Bildschirm besser
Der Chronist hat Glück. Seine Unterkunft für die beiden letzten Tage ist ein charmantes, mindestens fünfzig Jahre altes, gepflegtes Motel mit entsprechend großzügigem Zimmer, altem Baumbestand im Hof und einem Pool, in dem man sich bei der Wende nicht gleich den Kopf haut, weil er so flach ist. Er ist umgeben von Herbergen, die ihm vierhundert oder achthundert Dollar die Nacht aus der Karte gelutscht hätten. Sein pakistanischer Herbergsvater hat gegen seine Gewohnheit mit sich handeln zu lassen gehandelt und so tut das hier am Ende nicht mal richtig weh. Die Unternehmen umzu und ihr Klientel sind auf anderem Level unterwegs.
Der Chronist sagt hier mal aus seiner Sicht: Diese letzte Tour heute hat das ganze würdig gekrönt. Wegen der Windankündigung hat er sich früh auf den Weg gemacht.
Und weil der vor der Haustür lag, natürlich auf dem Freeway. Es hat nicht lange gedauert, da passierte er einen Polizeiwagen mit Kundschaft am Straßenrand. Im Vorbeifahren hörte er so etwas wie: Get off the freeway man.
Er war sowieso nicht auf der blauen Linie und dachte sich, es nicht zu übertreiben und fuhr ein paar Meter weiter von der Autobahn runter.
Vor einer Ampel hörte er dann dieses kurze Jaulen, dass man schon tausendmal in amerikanischen Filmen gehört hat und als er sich umdrehte, hatte er auch das entsprechende Bild dazu. Blinkende rote und blaue Lichter, ein Dogde in Weiß, ein Officer in Khaki. Er sah sich schon in einer Zelle. „Du kannst nicht auf dem Freeway fahren. Den Ausweis bitte.““Können sie bitte das Rad halten?“. Den Ausweis hat er im Rucksack. „Den Ausweis bitte“. Bevor das zu einer Endlosschleife wurde, hat er sich das Rad zwischen die Beine geklemmt und den Ausweis hervorgekramt. Wo ich wohnen würde. Irgendwie hat man wohl immer Sorgen hier, sich Obdachlose einzuhandeln. Am Ende versteht er den Reisevorgang des Chronisten, geht zum Wagen, lässt die Daten checken.
Yes, officer. Thank you officer
Man gut, dass der Chronist in Washington noch keinen Eintrag hat. Er bekam eine Warnung, mit der er nicht vor Gericht muss und man tüftelte am Ende gemeinsam in Google die Radalternative aus. Ja, hat man das auch mal erlebt.
Er ist dem Officer wirklich dankbar. Dieser erzwungene Umweg führte durch Farmland. Es sah der Chronist zum ersten Mal in seinem Leben tragende Mandelbäume und ahnte an der Feldgröße, warum das hier eher ein preiswertes Massenprodukt ist und nicht, wie er es kennt, eine eher teure Zutat beim Backen.
Mandelbaumplantagen endlos
Sie werden durch einen künstlichen Wasserkanal gewässert.
Wasser, weit aus dem Süden
Er musste nicht in dem Getöse des Freeways die Spur halten, er kurbelte schön über Land. So richtig schwungvoll in Kurven und sogar unter Bäumen.
Er war ja noch lange nicht am Ziel, wurde aber schon ein wenig sentimental, freute sich über dieses kleine Glück und fuhr ab hier eigentlich nur noch naß. Er musste bei jeder Gelegenheit, die ihm hier als netter Zufall erschien, ein bisschen heulen.
Paradiesisch nach tausend Kilometern Wüste
Fenchelpause, wild und lecker
Kurz bevor er meinte auszutrocknen, bescherte ihm das Glück an einer Kreuzung einen kleinen mexikanischen Imbiss im Nirgendwo. So ganz nirgendwo schien das nicht zu sein. Es tauchten in größerer Zahl Rennradkollegen auf, die sich vor der Mittagshitze etwas Bewegung gönnten. Fremont ist um die Ecke.
Er hätte frisches, gegrilltes Fleisch in ganzen Rippen haben können, er zog Maisbrei im Bananenblatt vor
Irgendwie scheint es dem Chronisten gut zu tun, ein bisschen beim Essen aufzupassen. Er hatte die Nacht ziemlich gut geschlafen und führte das auf die beiden fleischlosen, scharf gewürzten Fertiggerichte im Pappbecher zurück, die er sich in Tracy in einem indischen Supermarkt um die Ecke gekauft hatte.
Es drohte heute wieder heiß zu werden und der Chronist musste weiter. In Kalifornien werden aktuell Hitzewarnungen heraus gegeben. Die magische Marke sind 100° Fahrenheit, was 38° Celsius entspricht. Er erinnerte sich an einen Fernsehmoment in einem Imbiss vor Las Vegas. Die letzten Jahre dort hatten zwischen 60 und 80 Tage im Jahr diese Grenze überschritten. Für den Chronisten besonders war der Hinweis auf den Über-alles-Rekord dieser Grenzüberschreitung. Sie fand mit 100 Tagen 1947 statt. Und da weiß der Chronist, dass das auch in Deutschland außerordentlich war. Eine mittlerweile verstorbene, ältere Dame aus seinem Dorf erzählte, wie sie damals vor lauter Not die Kühe in Gräben treiben mussten, dass sie überhaupt Gras fanden.
In dieser mehr zivilisierten Gegend bekommen auch die Radfahrer mehr Rechte. Welch ein schönes Gefühl, nicht nur geduldet zu sein.
Man könnte sagen, in dieser Hinsicht ist in diesem Land noch viel Luft nach oben
Ja, und dann war er plötzlich da. Und fast ein bisschen enttäuscht. Das Google Hauptgebäude, vom äußeren her eher ein unspektakulärer Backsteinbau. Die Rezeption kleiner und bescheidener als die meisten Hotellobbys, die er hier erlebt hat, aber wundersamer Weise genauso zugänglich, auch mit Rad an der Hand. Gerade dieses unspektakuläre Entree des Unternehmens machte es ihm nochmal sympathischer.
Er hatte einen ziemlich dicken Klos im Hals, als er der Frau hinter dem Schreibtisch klar machte, dass er das und das gemacht hat. Und vielleicht sei ja einer der CEO‘s zufällig im Haus, mit dem er ein paar Minuten reden könnte, so vom ganz anderen Ende der Nahrungskette her, dieses, in seinen Augen, außerordentlichen Unternehmens. Man kann so denken, aber es muss ja nicht funktionieren. Hat es auch nicht und er gibt zu, dass es eine ziemlich bekloppte Idee war.
Christian konnte ihn auch nicht ins Gebäude lassen, aber er freute sich für den Chronisten und wollte unbedingt ein Selfie. Der Chronist würde sagen, aus höflicher Zurückhaltung machte Christian keine Angaben zur Standardfrage
Um seinen Followern am Ende wenigstens einen ansehnlichen Anblick zu liefern, war er um die Ecke zum Visitorcenter weitergefahren. Das unscheinbare Hauptquartier hat Google nicht selber gebaut, sondern von einem Pleiteladen übernommen und nur innen umgestaltet. Das Gebäude hier, in dem das Visitorcenter nur ein kleinster Teil ist, ist eines der ersten, nach eigenen Vorstellungen ziemlich spektakulär gebauten Bürogebäude.
Ja, und hier endet seine Linie entlang des Achtunddreißigsten.
https://www.relive.cc/view/vKv2nmDok4v
Danke!!!
Danke jetzt schon einmal, Lea!!! Ohne dich gäb‘s das hier nicht.
Übermorgen fliegt er zurück. Er freut sich sehr auf die Heimat und die Leute da drin. Im Flieger hat er Zeit, sich ein Nachwort auszudenken und zu Hause wird er seine Umfrage noch irgendwie auswerten. Morgen kurbelt er durch die Nachbarschaft aus Microsoft, NASA, Apple und Co und wird euch damit nicht behelligen. Er muss sich noch drei Rollen Haushaltsfolie besorgen und hofft, dass die Leute von DELTA Airlines damit glücklich sind. Bis denne.
Bleibt noch ein bisschen dran.