Guten Tag zusammen,
der Verfasser dieser Zeilen, der sich gerne als Chronist bezeichnet (was er im Sinne des Wortes ja auch ist), freut sich, dass ihr reinschaut. Hoffentlich ist und bleibt es über die ganzen Seiten interessant genug, dass ihr nicht abreißen lasst. Kommentare und Mecker gerne. Besser machen geht immer!
Fragmentarische Welterkundung hieß mal eine seiner Lieblingssendungen im Radio. Willkürliche Orte auf der Welt wurden erzählerisch und mit Tondokumenten vorgestellt. Eine wunderbare Sendung, die seltsamerweise nicht mal im allwissenden Netz eine Erwähnung findet; sie wird mit Sicherheit in den Archiven des Senders schlummern. Ihr Charakter passt zu dem, wie der Chronist gerne in der Welt unterwegs ist. Kombiniert mit seiner Lieblingsvariante der Bewegung, nämlich mit dem Rennrad und leichtem Gepäck. So war er schon in allen Himmelsrichtungen – siehe Bild 1.
Bild 1 Silbermond: Es reist sich besser mit leichtem Gepäck
"There is always a story to tell" (The Jaiy twins). Dieser Satz stamme von ihrer Mama, erzählen dem Chronisten zwei schwarze Tänzerinnen in einem BBC Clip. Ja. Und wenn man sich Mühe gibt, kann sie sogar vergnüglich oder wenigstens interessant sein. Er nimmt es als Ermunterung für diese Tour und er will sich Mühe geben. Die Geschichte, die er erzählen möchte, ist die von den Menschen der Vereinigten Staaten, die ihm auf seiner Reise mit leichtem Gepäck über den Weg laufen und ihm Auskunft geben zu einer bestimmten Frage: Trump, Biden oder Jesus. Was wollt ihr überhaupt für einen Präsidenten haben?
Die Idee dazu stammt von einem Vorläufer einer solchen Reise nach Großbritannien, wo den Chronisten die Neugier umtrieb: Brexit? Dafür oder dagegen? Es entpuppte sich zwar als anstrengend aber auch als überaus charmante Art des Reisens. Die Menschen, die einem begegnen, zu fragen, auf wessen Seite sie stehen. Keiner hat sich verweigert. Eher noch wurden ausführliche Begründungen mitgeliefert (bis hin zu einem Küsschen). Aber diese Reise war Privatvergnügen und nicht so sehr für die Öffentlichkeit gedacht. Es erschien ein Artikel in der Tageszeitung und der Chronist führte einen Blog (http://brexitornottobrexit.blogspot.com/). Doch diese Idee zog eine andere nach sich.
Der Reihe nach. Der Schreiber stieg 2020 eines Tages, nachdem die Produktion seines Reiseberichtes Nach Süden abgeschlossen war, die ausgetretene Holztreppe hinauf, um der Künstlerin der Buchgestaltung ihren Lohn zu bringen. Eine erhebende Routine am Ende einer immer spannenden und erfreulichen Zusammenarbeit. Und er fragte sich dabei, was er ihr wohl als nächstes antragen würde. Es liegen ja einige geografische Spielereien auf seiner Maschine. Er verwarf alle davon. Es sollte auf keinen Fall irgendwas sein, er wollte ihr schon etwas bieten. Er brauchte genau alle dieser einfach schwarz übergestrichenen, von hunderttausend Sohlen ausgeformten Treppenstufen, die sich um den alten Käfigfahrstuhl herum in die erste Etage schwingen. Unbefugten ist der Zutritt verboten steht über der Tür. Hier war ihm klar, was es sein sollte: Nach Westen fehlte noch. Noch einmal England wäre langweilig. Also in die USA. Einige Sofasitzungen danach stand der Plan. Es würde die bislang längste und vermutlich auch herausfordernste Reise mit leichtem Gepäck. Dann kam Corona und die USA ließen niemanden hinein. Und der Plan rückte auf der Unternehmungsliste nach hinten. So weit nach hinten, dass er fast schon keinen echten Willen mehr verspürte, sich diesen Kraftakt anzutun. In diesem Jahr 2024 brauchte der Chronist ein Projekt, um nicht durchzudrehn. Und da kam Nach Westen II gerade recht.
Einmal quer durch die USA, ungefähr entlang des 38. Breitengrades hat er die Route gelegt. Einmal von Ost nach West. Er will entlang dieser gedachten Linie nicht nur Landschaft, Architektur, Verkehr und Geschäfte beobachten, Schlaglöcher und Berge erfühlen, Vegetation und Auspüffe riechen, nein, er will mit den Leuten reden, weil er neugierig darauf ist, warum sie gerade so drauf sind wie sie drauf sind. Die einen mögen keine Einwanderer, hassen Demokraten und möchten in diesem Land des unendlichen Fortschritts die biblische Schöpfungsgeschichte zur amtlichen Wahrheit erheben, die anderen pinkeln dem (ehemaligen) Präsidenten Trump kleinkariert ans Bein, haben für die etwas aus der Form geratene weiße Landbevölkerung den Begriff White Trash kreiert und steigen über die überall lagernden Obdachlosen ungerührt hinweg, um bei Whole Foods ihren überteuerten organic Einkauf in zweifach ineinandergesteckte organic Papiertüten zu verpacken. Es ist ja reichlich von allem da.
Der Chronist ist nicht einer von dieser Sorte der Rennrad-Ultras, die in Race-across-America den Kontinent in einem Zeitlimit von 300 h durchqueren. Erstens ist er zu alt, zweitens kein Athlet im Allgemeinen, und drittens passt das nicht zu seinem Vorhaben. Seine Träume und Fähigkeiten sind anders verteilt. Es ist das eine sich quälen zu können und das andere im Wechsel obendrein zu genießen und dabei in beidem neugierig auf die Welt zu sein. Er hat dank guter Freunde beides gelernt, wird sich also durchaus quälen aber auch genießen und freut sich schon auf die Ankünfte in den Weltstädten. Während die Wettbewerber in den Peletons der großen Radrennen bei der Zielankunft mit Adrenalin überhäuft werden, ist es beim Chronisten eher die Ankunft in einer Großstadt, die ihn flasht. Da, wo ihm die blaue Linie auf dem Lenker einen Weg weist, den er sich im rauschenden Verkehr mit seinen vielen Spuren und seinen unterschiedlichsten Verkehrsmitteln mit den vielfältig angelegten Charakteren hinter ihren Lenkrädern erkämpfen muss. Und das immer mit Selbstbewusstsein und erhobenem Haupt. Auf keinen Fall rumeiern, dann kommt man unter die Räder.
New York, Philadelphia, Chicago, Denver, Las Vegas und San Francisco machen ihm den Mund wässrig. Weniger die Aussicht, dass er sich auf dem frühstücksbrettharten Sattel nicht ewig von Rindfleischklopsen zwischen Pappbrötchen ernähren kann. Zwanzig Tage hat er Zeit. Die blaue Linie, die der Chronist kurbeln wird, ist also nicht durchgehend 5000 km lang, sie besteht aus Teilstücken – siehe Bild 2 und wird ihm auch so genug Kontakte mit dem Land vermitteln. Die Zwischenstücke überbrückt er mit dem Greyhound Bus, der Bahn oder dem Flugzeug. Das verlangt eine ausgefeilte Planung und birgt etwas Stress, weil der Chronist an Fahrpläne gebunden ist, an die man sich tunlich hält, wenn man weiterkommen will.
Bild 2 Entlang des 38.
In Alt-England war die Fragestellung einfach: Brexit, dafür oder dagegen? Alles andere ergab sich von selbst. Doch was wollte er jetzt den Busfahrer, die Dame an der Rezeption, den Friseur oder den Farmer, bei dem er sich die Wasserflasche auffüllt, fragen? Was wäre kurz und selbsterklärend genug, sein Gegenüber erahnen zu lassen, worum es ihm ging. Und würde ihm obendrein ein Fenster auf den Ausgefragten aufmachen, das erahnen ließe, warum er so ist wie er ist. Persönliche Antworten, Erklärungen zu bekommen, die über das hinausgehen, was dem Schreiber die Tagesschau, die Süddeutsche Zeitung, der Spiegel oder andere Nachrichtenquellen vorsetzen. Und nebenbei mit dieser Frage als Taschenlampe einen Blick auf einen völlig fremden Menschen zu erhaschen. Den er deswegen schon nicht mehr vergisst, weil er ja darüber berichten will. Für lange Small Talks hat er keine Zeit, sie sind auch nicht sein Ding. Welche zwei oder drei Stichwörter würden auf die Universen hinweisen, denen sich seine Gegenüber verschrieben haben und sie gleichzeitig genug aufmuntern, sich dazu zu äußern?
Trump, Biden, Jesus!?
Trump oder Biden, schwarz oder weiß. Für wen bist du? Kann der Chronist aus seinem Gegenüber nicht noch ein wenig mehr herauskitzeln? Gibt es nicht in jedem noch eine andere Quelle, die sein Handeln in der Gesellschaft beeinflusst? Ist in den Menschen nicht doch mehr als nur die Festlegung auf einen dieser beiden Pole? Hat nicht jeder in einem tiefen Inneren Gefühle abseits davon? Gefühle, die hinüberreichen, hinüberreichen zu den Anderen, den Reichen, den Konservativen, den Kiffern, den Waffenträgern, den Nerds, den Kindern, den Farmern, den Soldaten und den Mindestlohnempfängern, den Gottesanbetern und den vielen Dicken. Der Chronist ist überzeugt davon und führt deswegen sein Sinnbild für Menschenliebe in das Fragespiel ein: Jesus. Er wird einfach nach diesen Dreien fragen und wird sehen, was dabei herauskommt. Und um Zwischentöne zuzulassen, wird er dem Gegenüber folgende Option eröffnen: Wenn er sich den neuen Präsidenten selbst zusammenbasteln dürfe, wie viel Prozentanteile solle jener von den drei Persönlichkeiten am Ende enthalten? Und das eben in zwanzig Tagen, zehn davon im Sattel, der Rest geht für An-Abreise und die Zwischenstrecken drauf.
Danke schon mal für das Folgen bis hierher.
Und besonderen Dank an Lea Büsing für die Durchsicht, Aufbereitung und Veröffentlichung im Heimatstützpunkt Todtenhausen.
Moin, Detlef. Verrückte Idee. Hätte von mir sein können, wäre sie auch fast gewesen. Ich wollte in diesem Frühjahr, auf jeden Fall vor der Präsidentschaftswahl im November, in den USA unterwegs sein, wie schon 2016, als der Irre aus Mar-a-Lago ("He´s like Hitler", wie mir eine in Berlin geborene und mit ihren Eltern vor den Nazis geflohene Demokratin in Manhattan sagte) gerade andere republikanische Mitbewerber wie Ted Cruz ("He´s like Lucifer" - dieselbe Quelle) aus dem Feld schlug. Die Grand Old Party hat sich seither selbst bzw. ihre Grundwerte zerlegt. Es bräuchte einen wie Abraham Lincoln, um die Einheit der Partei und vor allem die Einheit der Union wiederherzustellen.
AntwortenLöschenUm zu sehen, wie es darum heute wirklich bestellt ist, wäre ich gern von Coast to Coast, von Philadelphia, dem Ort der Unabhängigkeitserklärung, nach Seattle gefahren, kreuz und quer durch "red states", mit dem Auto "on the road" wie Jack Kerouac, statt mit dem Flugzeug schnell über die "Fly over states" hinweg.
Liegen Minden, Iowa, und Minden, Nebraska, auf deiner angedeuteten Route? Dann geh in die Rathäuser und frag dort. Aber nicht erschrecken, dort gibt es republikanische Mehrheiten, also wohl MAGA-Anhänger.
Und: Beware of the Greyhound! Meine Vor-Corona-Erfahrungen - Coast to Coast, aber von West nach Ost - waren ernüchternd. Und Achtung! Alle Wege führen über Dallas, El Paso und Phoenix. Immerhin enden sie in Los Angeles, und in die Stadt der Engel willst du ja wohl. Vielleicht ist etwas besser geworden, seit FlixBus dort eingestiegen ist.
Busfahren ist in Amerika aber auf Langstrecken höchst interessant. Dort trifft man oft auf die Benachteiligten, Arme, bunte und schräge Vögel (einer hatte bei meiner Tour 2019 einen wunderschönen Ara dabei - viel gesprächiger als die anderen Reisenden). Du wirst schon allein auffallen (eine deiner Lieblingsbeschäftigungen?), weil du ein alter weißer Mann bist.
Genial finde ich die Fragestellung "Trump, Biden, Jesus?". Vielleicht weniger und anders, als du denkst. Alle werden behaupten, sie seien "with God on our side", wie Bob Dylan schon vor mehr als 50 Jahren bemerkt hat. Wie Jesus politisch ausgeschlachtet wird, hat er auch fast 2000 Jahre, nachdem er ans Kreuz genagelt wurde, nicht verdient. Aber im politischen Raum meinen offenbar viele, nachdem der Gesalbte für die alten und neuen Sünden der Menschheit gestorben sei, könnten sie nun umso unverschämter sündigen, lügen, betrügen und Plagiate begehen. Das ist durch den verbreiteten Fundamentalismus der Evangelikalen in den USA sicher nicht besser geworden, eher noch schlimmer. Religiöse Hardliner und Hardcore-Prediger, zumal wenn sie ein Radiomikrofon oder eine Fernsehkamera vor sich haben, gehören zu den schlimmsten Plagen, die der Himmel über die Menschheit gebracht hat, seit das mit dem Heiligen Geist (heute ist schließlich Pfingstmontag) nicht so richtig funktioniert hat. Ich bin mal gespannt, wie dich das sternengesprengelte Bodenpersonal in dieser Hinsicht übers Ohr hauen wird. Good luck!
Übrigens hätte ich vorgezogen, du schriebest aus der persönlichen Ich-Perspektive. Da kämen die Schlaglöcher, die auf dich lauern, ungefedert durch. Aber der Chronist, wie du dich bescheiden nennst, greift lieber zur reflektierten dritten Person. Und das majestätische WIR ist erst nach einer gelungenen Meisterleistung angemessen. Bonne route, cher ami!
Moin Detlef, heute hat es endlich mit der Anmeldung zu deinem Blog geklappt. Und es funktioniert sogar die Spracheingabe. Es ist schön, dass du uns an deiner Reise teilhaben lässt. Ich denke, du machst genau das, was du am besten kannst und was du liebst. Und deshalb machst du alles richtig. Ich wünsche dir noch viele tolle Touren und spannende Gespräche mit deinen Informanten zur Präsidentenwahl. Es wird ja wohl ein ziemlich bunter Strauß an Meinungen werden. Ich bin gespannt wie es weitergeht.
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