Donnerstag, 30. Mai 2024

TBJ_12 Einfach mal die Fresse halten

Entschuldigung. Der Einstieg ist pöbelhaft und der Chronist hofft dennoch, dass die AI auch eine treffende Übersetzung für den englischsprachigen Teil findet. 

Der Chronist sitzt erneut im Greyhound, den er in Denver ohne Mecker besteigen durfte. In einem Muster von Busstation mitten in der Stadt, im Keller des alten, majestätischen, ausgezeichnet renovierten Amtrak Bahnhofes. Er ist heute bei weitem nicht alleine, sondern in illustrer Gesellschaft. 



Das kann Stunden dauern, tat es auch. Am Ende den Ausstieg verpasst und zu weit gefahren


Alle werden von der resoluten Busfahrerin barsch und eindringlich ermahnt, Kopfhörer zu benutzen. „Keiner will hören, was du hörst!“ An der nächsten Haltestelle verkündet sie zehn Minuten Pause. „Glaub ja nicht, ich fass dich drinnen (Raststätte) bei der Hand und erzähl dir, die zehn Minuten sind um.“


Zuckerwasser Melkstand, bei so viel Auswahl können zehn Minuten schon mal eng werden

Warum diese rotzige Überschrift? Sie kam dem Chronisten vor einer Weile und will ihn nicht verlassen. Er sitzt heute neun Stunden im Bus, er hat schon viele Stunden im Bus gesessen und das Land betrachtet, er hat einige Entfernungen körperlich abgemessen und Google Maps ist seine tägliche Lektüre. Jetzt schaut er aus dem Fenster und sieht wieder Landschaft ohne Ende und denkt sich: Was ein riesiges Land! 


Land, Land, Land, von Denver nach Fort Laramie

Es ist ja nicht nur riesig von der Fläche her, da ist Kanada ja noch größer. Es ist auch politisch riesig durch die Anzahl Menschen darauf. Dreihundertdreißig Millionen sind dreihundertdreißig Millionen Individuen mit unterschiedlichen Interessen in ganz unterschiedlicher Umwelt. Der Chronist versteht ein bisschen vom Funktionieren von Organisationen und er hat allergrößten Respekt davor, es hinzubekommen, dass so viele Individuen wenigstens halbwegs friedlich gemeinsam einer Idee folgen, dazu Arbeit haben, satt werden, Transportmöglichkeit finden und in etwa nach ihren Vorstellungen ihr Leben gestalten können. Ob nun Mr. Trump oder Mr. Biden, man kann auch einfach mal Respekt davor haben, dass sie den Hut in den Ring werfen und sich das antun in ihrem Alter und entfernt eine Idee haben, diese Aufgabe irgendwie hinzubekommen. Und man kann getrost sein, dass sie nicht völlig schwerelos nach eigener Mütze hantieren können. Da steckt ein riesiger Apparat von Backoffice dahinter, der es fachlich drauf hat und berät und den Chef auch mal am Ärmel zupft. 

Wikipedia verrät, dass einer der engsten Mitarbeiter von Mr. Nixon gegen Ende dessen Amtszeit wegen seines Alkoholproblems alle Präsidentenentscheidungen über seinen Schreibtisch laufen ließ, um groben Unfug zu vermeiden. Sicher gilt immer, der Fisch stinkt zuerst am Kopf, aber so weit sich wir ja noch nicht. Der Chronist will darauf hinaus, es ist nicht einfach, dieses riesige Land, diese enorme Masse Leute zu regieren. Ist es da für uns, tausende Kilometer entfernt, in Ordnung sich so das Maul zu zerreißen, wie es viele im Land des Chronisten tun und fix mal Urteile absondern? Oder sollte man, wie es einer seiner ehemaligen Mitarbeiter sich zur ständigen Ermahnung an seinen Bildschirm geklebt hat, „Einfach mal die Fresse halten“? Und es den Menschen hier überlassen, wen sie an der Spitze sehen wollen? Danke  für eure Geduld, es kommt nicht so oft vor.

Der Chronist hatte Glück heute morgen. Er verlies Paris H.‘s edles Kellerverlies reichlich spät, der Körper ließ ihn nicht eher. Auf jeden Fall wollte er sich das Art Museum anschauen. Ein futuristischer Laden.



Zack, Entscheid, einmal reinschauen um die Stadt besonders in Erinnerung zu behalten. Hat dann auch geklappt. Eine liebenswerte, ältere Museumsvolontärin brachte ihn kurzerhand umsonst hinein, weil ihm selbst der Senioreneintritt für einen solchen Kurzbesuch zu viel war, sie ihn aber nicht so ziehen lassen wollte. Die Kunst drinnen war dem Chronisten für einen solch fröhlich blauen Morgen allerdings zu schwer. Die ganze Aktion hat ihm dennoch gefallen.


Nicht umsonst spielte der Denver Clan hier. Die Stadt scheint reich zu sein, war es früher und es sieht heute nicht anders aus.


Erbaut durch die Menschen, die Stadt und das County Denver

Der Chronist liest ein bisschen in Jack Kerouac von dessen Traumstadt Denver und dem wilden Leben darin 1947 und findet es heute ein bisschen arrogant.


«Wow!» Der Mann und ich hatten ein langes, angenehmes Gespräch über unsere jeweiligen Pläne im Leben, und bevor ich es merkte, rollten wir schon über die Fruchtmärkte draußen vor Denver; da waren Schornsteine, viel Rauch, Eisenbahnschienen, rote Backsteingebäude und, zur Innenstadt hin, die grauen Sandsteinhäuser. Und ich war da, ich war in Denver. An der Larimer Street ließ er mich raus. Voller Freude und mit dem dämlichsten Grinsen der Welt stolperte ich auf die alten Landstreicher und abgetakelten Cowboys der Larimer Street zu…

…war Ray Rawlins, Tim Grays Kumpel aus Kindertagen. Ray kam hereingestürmt, um mich abzuholen, und wir verstanden uns auf Anhieb. Zusammen machten wir eine Sauftour durch die Bars an der Colfax Avenue. Eine von Rays Schwestern war eine blonde Schönheit namens Babe – eine tennisspielende, wellenreitende Fee des weiten Westens. Sie…


Nach dem Vorfall mit dem Sitznachbarn, der vergessen hatte auszusteigen, gab es noch einmal eine barsche Ansage der Chefin vom Lenkrad: Jeder hat selber darauf zu achten, wo er raus muss. Sie könne nicht alle Ziele der Gäste im Kopf haben.

Der Vordermann des Chronisten kam aus Arkansas. Ein friedliebender, freundlicher Mensch. Einmal im Jahr fährt er seine Mutter in Washington besuchen, was ihn drei Reisetage und über zweihundert Dollar je Weg kostet. Ein Flug würde rund das Dreifache kosten.


Robert, lebt in einem roten, also konservativen Staat; er zögert nicht für 0-80-20

Der Chronist passt schön auf seinen Ausstieg aus. Evanston, Wyoming, einhundertdreißig interessante Kilometer von seinem nächsten Zielort, Salt Lake City, entfernt. Interessant, weil mit Relief versehen, weil er auf über zweitausend Meter Höhe schläft, weil er morgen eine Art Hängematte fährt, die am anderen Ende auf zweitausendeinhundert Meter aufgehängt ist und weil es auf den ersten fünfundsechzig Kilometern keine Versorgung gibt. Also muss er gut einpacken. 


Evanston - Salt Lake City

Das gilt auch für ihn selber, die Nachttemperatur liegt bei null Grad und bleibt bis zum Start einstellig. Da muss er sich was einfallen lassen. Erstmal ist er noch warm und preiswert in einem Motel untergebracht und textet unter weißen Laken. 

Ja, und dann ist da noch die Windrichtung in diesem Land ohne Bäume ;-)


Euch allen erstmal einen schönen Tag und gute Gedanken für die Europawahl (soweit ihr aus Europa seit). Die Anderen schauen entspannt zu. 

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