Sonntag, 9. Juni 2024

TBJ_99 I did it my way (even on a highway)

Liebe Follower, eine letzte Post vom Chronisten. Wer immer auch bis hierhin mitgereist ist. Schön, dass es euch gibt. Man ist ja ungern allein auf der Welt. Mr. Sinatra berühmtes Lied kommt ihm in den Sinn. Vermutlich eine persönliche Nationalhymne für viele Menschen. Und vielleicht eine zutreffende, charmante Zusammenfassung seines kleinen Abenteuers. Dieser sechsten fragmentarischen Welterkundung mit Rennrad und leichtem Gepäck.

1185 km im Sattel, 4500 km im Greyhound

Der Chronist sitzt im Flieger nach Amsterdam. Natürlich nicht in dem, der geplant war. Er hätte den Anschluss in Seattle von San Francisco nicht erreicht, also schickte man ihn nach Los Angeles. Auch da wurde es knapp und fast hätte er die umgebuchte Maschine gar nicht besteigen können. Die automatische Schranke am Gate ließ ihn nicht durch. „See an agent“ und dieser Agent teilte dem Chronisten mit, dass die Maschine überbucht sei und er nicht mitfliegen könne. Irgendwer ist dann nicht gekommen und man wollte wohl auch Ärger mit dem durchgecheckten Rennrad vermeiden. Also ging er als Letzter an Bord und schaut jetzt aus dem Fenster.

Er hat noch nie eine so große zusammenhängende, lebensfeindliche und doch faszinierende Landoberfläche gesehen, wie sie unter ihm durchgleitet. Gerade verschwindet Las Vegas und des Chronisten unsichtbare neunte Linie von Mesquite dahin.

Zwischen LA und Salt Lake City

Unter einem grauen New Yorker Himmel war er vor zwanzig Tagen angekommen und hat in ein fröhliches Blau hinein in Kalifornien die Heimreise angetreten. Dazwischen lag eine Linie, ein Schnitt durch ein riesiges Land, mit Menschen, die ihm immer wohlgesonnen waren, die ihn in weißen Laken beherbergt, ernährt, unterhalten oder einfach in Ruhe gelassen haben.

Er hat 1185 km im Sattel gesessen und ein Vielfaches in Bussen. Er hat das Glück, sich das leisten zu können, hat das Glück einen Pass zu besitzen, der ihm die Freiheit gewährt, in alle Welt zu reisen und schließlich hatte er Glück im ganzen Vorhaben. Auch mit der eigenen Technik. Außer drei Plattfüßen hat das Rennrad ihm keinen Ärger gemacht. Diese leichtfüßige Konstruktion aus Carbon hat gehalten, diese präzise Technik aus Japan hat immer schön gearbeitet, Simon Geschke hat vorn im Wind tapfer ausgehalten und trotz ruppiger Stauprozesse in die Buskeller nicht mal seinen Helm verloren.

Der tapfere Simon

Er selber hat keinen zu großen Mist gemacht und immer versucht, gut aufzupassen. Das eine Mal, als er mit eineinhalb Bier intus doch leichtfertig war, hat der Autofahrer es für ihn getan. Auf den Highways und Interstates hat ihn kein luschig befestigtes Dixiklo aus dem Sattel gefegt, kein loser Spanngurt eines Trucks ausgepeitscht. Nein. Er ist heile angekommen. Danke, wer immer dafür mit aufgepasst hat. Er ist besonders euch allen dankbar, denen, die bei der Vorbereitung mit Hand angelegt haben, denen, die ihm seinen Segen gegeben haben, was ihm ganz wichtig war, allen, die sich unterwegs geäußert haben, was immer besonders schön ist. On Top die Enkelvideos. Dankeschön, Männer! Und besonders dir Lea, die du jeden Morgen vor der Arbeit dir die Texte aus dem Himmel geholt hast, sie mit den richtigen Fotos versehen und am Ende feingeschliffen hast. Weder hatte der Chronist mit dem Mini-iPhone das nötige Werkzeug, noch hätte er die Luft dafür gehabt.

Er kann es nicht genug sagen, Glück, er hat immer ganz viel Glück gehabt. Nicht jeder Tag war glanzvoll, mit Recht. Dafür leuchteten die anderen dafür um so heller. 

Es war genau richtig, in Palo Alto, im Silikon Valley anzukommen, der Goldgräberstadt des digitalen Zeitalters. Die Bescheidenheit der alten Googlezentrale zu sehen und die beiden neuen Kathedralen des Unternehmens zu umrunden. Riesige, silbrig filigran gefächerte Zelte, die im Innern bis unter die Dachhaut offen sind. 

Googleplex; fahrbarer Friseur, damit keine Zeit verloren geht

In die brandneue Zentrale von Microsoft reinzuschneien, einfach so reingehen zu dürfen, jedenfalls in den vorderen Bereich, teilhaben zu können an einer AI-Konferenz. Weil er ja schon einiges an dieses Unternehmen gezahlt hat, hat er sich auch ohne schlechtes Gewissen am Buffet mit Gemüse und leckerem Dip bedient.

Der Chronist als Alice im Wunderland

Die fast heruntergekommene riesige NASA-Zentrale mit eigenem Flugplatz von außen zu sehen und zu ahnen, dass mit sowas kein Geld verdient wird. Richtig gemacht.

TBJ, Trump, Biden und Jesus. Am letzen Tag ereilte ihn noch Wang Dou. Der Chronist hatte morgens geklüngelt und kam ziemlich spät in den Frühstücksraum des Motels. Dort saß ein stämmiger Asiate und daddelte. Der Chronist machte sich am Buffet zu schaffen und gab sein obligatorisches „How is it going?“ von sich. Gebrummel vom Nachbarn. Aus dem nichts kam dann eine Tirade auf die Politik und die Geldmacht und das Fehlen von Wertschätzung menschlichen Verhaltens. Er sei Investor und verfolge die Idee, Geldtransfer per Gesichtserkennung mittels AI zu organisieren. Hatte aber offensichtlich Probleme mit dem aktuellen Umgang der Menschen untereinander. Es gipfelte in der Feststellung, dass es zu wenig Liebe gäbe. Ohne Liebe sei ein Mensch kein Mensch, ohne Liebe sei das Leben nichts! Das veranlasste den Chronisten, seine Frage loszuwerden. Sein Nachbar brauchte nicht sehr lange, zu erfassen was dieser wollte. Er erzählte, er sei Chinese aus Shanghai, lebe seit langem in Toronto und hat eine Familie mit zwei Kindern. Jesus hin oder her, wenn es so eine Art Heiligen in China gäbe, dann 100 für ihn. Auf den Einwand des Chronisten, ja aber einer muss ja irgendwie auch die praktische Arbeit erledigen, änderte er seine Meinung in 10-0-90. 

Wang Dou, in chinesischer Schreibweise kommt der Nachname zuerst.

Wang Dou dachte kurz über alles nach, wurde von Emotionen übermannt, entschuldigte sich und fing an zu weinen, schluchzte aus tiefstem Herzen. Man verabschiedete sich aus diesem kleinen Motelfrühstücksraum mit einer Umarmung. Was sollte das denn jetzt?



Weil er ja Ingenieur ist, hat der Chronist die ganzen gesammelten Zahlen in ein einfaches Diagramm gepackt. Wer mitgereist ist, ahnt, dass das Tortenstück Jesus übermächtig groß wird. 


Die eigene Befindlichkeit des Chronisten, die ihn zu dieser Frage geführt hat, scheint viele umzutreiben. Seine Umfrage ist nicht repräsentativ im wissenschaftlichen Sinne. Aber es ist doch ein gewisser Schnitt durch das ganze Land, vom Zufall und von der Weise der Kontaktaufnahme bestimmt. Der Chronist kann die Gesamtheit seiner Gegenüber grob einteilen. In den Rand der intellektuellen Seite, die meint Glauben und Gefühle haben in der Politik nichts zu suchen. In den anderen Rand der stark religiösen Seite, die in der Einbeziehung der Person Jesus in die Politik fast ein Sakrileg sieht, ein paar wenige, die sich für beides nicht interessieren und dann ist da die große Mehrheit, die es sofort verstand und unbefangen Antworten gab, die ihrer Intuition, ihrem inneren Bedürfnis entsprach.

Der Chronist denkt sich seinen Teil, maßt sich aber nicht an, euch damit zu behelligen. Jeder wird eine eigene Idee haben. Ein nüchternes Ergebnis ist, dass er sich nicht vorstellen kann, das Mr. Trump Präsident wird. Und wenn doch, ist es dem sonderbaren Wahlsystem zu verdanken. Die Erde wird sich auch dann weiterdrehen. 

Er hat vor allem Menschen getroffen, ob sie 100 % für Mr. Trump waren oder ein großes Tortenstück Mr. Biden zuschlugen. Niemand aus dem jeweiligen Lager hat nach Schwefel gerochen! 

Ans Ende noch ein Ausschnitt aus Jack Kerouac, der sich anschließend nach San Francisco aufmachte:


Sie redeten von der Ernte, die sich nach Norden bewegte. Es war warm und milde. Ich wäre am liebsten losgelaufen und hätte Rita noch einmal geholt und ihr viele Dinge gesagt und sie diesmal richtig geliebt und ihre Angst vor Männern beschwichtigt. Jungen und Mädchen in Amerika haben es nicht gut miteinander; sie müssen perfekt sein und deshalb wird von ihnen erwartet, sofort miteinander ins Bett zu gehen, ohne vorher richtig zu reden. Kein Umwerben – keine echten und ehrlichen Gespräche über die Seele, wenn doch das Leben heilig und jeder Moment kostbar ist. Ich hörte die Lokomotive der Denver-and-Rio-Grande-Bahn fern in den Bergen…

Das ist mal ein schöner Abschnitt. Doch grundsätzlich: Der Chronist hätte auf keinen Fall mit ihm tauschen mögen. Wie viel Zeit und Erleben man doch im Rausch verplempern kann (sagt er heute).

Mai/Juni 2024

PS Irgendetwas ist ja immer. Aber besser so als andersrum. Der Chronist ist vollständig und pünktlich in Amsterdam angekommen. Sein Renner nicht. Hat wohl die kurze Umsteigezeit in Los Angeles nicht geschafft. Und muss nachgeliefert werden...

PSS Es ist Januar 2025. Präsidentenmäßig gab es eine rasante Entwicklung. Man hat Joe Biden aus dem Wahlkampf gedrängt. Kamala Harris sollte es werden aber große Teile der Bevölkerung trauten ihr keine Wirtschaft zu und so haben im November siebzig Millionen Amerikaner Mr. Trump zu einem klaren Wahlsieg verholfen. Am 20. Januar ist er mit großem Spektakel in sein Amt eingeführt worden. Am 21. hat er vor 20000 Zuschauern und im Fernsehen natürlich in einem Eishockeystadion an einem kleinen hölzernen Tisch einen Wust von Dekreten unterzeichnet, die seinen Handlungswillen untermauern sollen. Unter anderem wird das Recht auf Staatsbürgerschaft der im Lande neu geborenen gestrichen, deren Eltern sich dort nur vorübergehend aufhalten. Schon vor seinem Amtsantritt hat ein harter Hund von Abgesandtem in seinem Auftrag den israelischen Staatschef Netanjahu dazu gezwungen mit den Palästinensern einen Waffenstillstand abzuschließen, was der Bidenadministration über Wochen nicht gelungen war. Israel erhält von den USA jede Menge Unterstützung, was wohl eine gute Verhandlungsmasse war.

Der Chronist hat den Eindruck, dass Mr. Trump auch so etwas wie einen Kulturkampf führt.

Mittwoch, 5. Juni 2024

TBJ_17 Get off the freeway man! Yes, officer!

Weiße Laken in Palo Alto, im Tal der Schnelldenker, Silicon Valley. Da wollte er auch hin! 


Es war beides in der Schublade des Nachttisches, auf der Bibel steht der Bildschirm besser

Der Chronist hat Glück. Seine Unterkunft für die beiden letzten Tage ist ein charmantes, mindestens fünfzig Jahre altes, gepflegtes Motel mit entsprechend großzügigem Zimmer, altem Baumbestand im Hof und einem Pool, in dem man sich bei der Wende nicht gleich den Kopf haut, weil er so flach ist. Er ist umgeben von Herbergen, die ihm vierhundert oder achthundert Dollar die Nacht aus der Karte gelutscht hätten. Sein pakistanischer Herbergsvater hat gegen seine Gewohnheit mit sich handeln zu lassen gehandelt und so tut das hier am Ende nicht mal richtig weh. Die Unternehmen umzu und ihr Klientel sind auf anderem Level unterwegs.

Der Chronist sagt hier mal aus seiner Sicht: Diese letzte Tour heute hat das ganze würdig gekrönt. Wegen der Windankündigung hat er sich früh auf den Weg gemacht.

Und weil der vor der Haustür lag, natürlich auf dem Freeway. Es hat nicht lange gedauert, da passierte er einen Polizeiwagen mit Kundschaft am Straßenrand. Im Vorbeifahren hörte er so etwas wie: Get off the freeway man.

Er war sowieso nicht auf der blauen Linie und dachte sich, es nicht zu übertreiben und fuhr ein paar Meter weiter von der Autobahn runter. 

Vor einer Ampel hörte er dann dieses kurze Jaulen, dass man schon tausendmal in amerikanischen Filmen gehört hat und als er sich umdrehte, hatte er auch das entsprechende Bild dazu. Blinkende rote und blaue Lichter, ein Dogde in Weiß, ein Officer in Khaki. Er sah sich schon in einer Zelle. „Du kannst nicht auf dem Freeway fahren. Den Ausweis bitte.““Können sie bitte das Rad halten?“. Den Ausweis hat er im Rucksack. „Den Ausweis bitte“. Bevor das zu einer Endlosschleife wurde, hat er sich das Rad zwischen die Beine geklemmt und den Ausweis hervorgekramt. Wo ich wohnen würde. Irgendwie hat man wohl immer Sorgen hier, sich Obdachlose einzuhandeln. Am Ende versteht er den Reisevorgang des Chronisten, geht zum Wagen, lässt die Daten checken. 


Yes, officer. Thank you officer

Man gut, dass der Chronist in Washington noch keinen Eintrag hat. Er bekam eine Warnung, mit der er nicht vor Gericht muss und man tüftelte am Ende gemeinsam in Google die Radalternative aus. Ja, hat man das auch mal erlebt.


Er ist dem Officer wirklich dankbar. Dieser erzwungene Umweg führte durch Farmland. Es sah der Chronist zum ersten Mal in seinem Leben tragende Mandelbäume und ahnte an der Feldgröße, warum das hier eher ein preiswertes Massenprodukt ist und nicht, wie er es kennt, eine eher teure Zutat beim Backen.


Mandelbaumplantagen endlos

Sie werden durch einen künstlichen Wasserkanal gewässert.

Wasser, weit aus dem Süden

Er musste nicht in dem Getöse des Freeways die Spur halten, er kurbelte schön über Land. So richtig schwungvoll  in Kurven und sogar unter Bäumen. 

Er war ja noch lange nicht am Ziel, wurde aber schon ein wenig sentimental, freute sich über dieses kleine Glück und fuhr ab hier eigentlich nur noch naß. Er musste bei jeder Gelegenheit, die ihm hier als netter Zufall erschien, ein bisschen heulen.


Paradiesisch nach tausend Kilometern Wüste


Fenchelpause, wild und lecker

Kurz bevor er meinte auszutrocknen, bescherte ihm das Glück an einer Kreuzung einen kleinen mexikanischen Imbiss im Nirgendwo. So ganz nirgendwo schien das nicht zu sein. Es tauchten in größerer Zahl Rennradkollegen auf, die sich vor der Mittagshitze etwas Bewegung gönnten. Fremont ist um die Ecke.


Er hätte frisches, gegrilltes Fleisch in ganzen Rippen haben können, er zog Maisbrei im Bananenblatt vor

Irgendwie scheint es dem Chronisten gut zu tun, ein bisschen beim Essen aufzupassen. Er hatte die Nacht ziemlich gut geschlafen und führte das auf die beiden fleischlosen, scharf gewürzten Fertiggerichte im Pappbecher zurück, die er sich in Tracy in einem indischen Supermarkt um die Ecke gekauft hatte.


Es drohte heute wieder heiß zu werden und der Chronist musste weiter. In Kalifornien werden aktuell Hitzewarnungen heraus gegeben. Die magische Marke sind 100° Fahrenheit, was 38° Celsius entspricht. Er erinnerte sich an einen Fernsehmoment in einem Imbiss vor Las Vegas. Die letzten Jahre dort hatten zwischen 60 und 80 Tage im Jahr diese Grenze überschritten. Für den Chronisten besonders war der Hinweis auf den Über-alles-Rekord dieser Grenzüberschreitung. Sie fand mit 100 Tagen 1947 statt. Und da weiß der Chronist, dass das auch in Deutschland außerordentlich war. Eine mittlerweile verstorbene, ältere Dame aus seinem Dorf erzählte, wie sie damals vor lauter Not die Kühe in Gräben treiben mussten, dass sie überhaupt Gras fanden. 

In dieser mehr zivilisierten Gegend bekommen auch die Radfahrer mehr Rechte. Welch ein schönes Gefühl, nicht nur geduldet zu sein.


Man könnte sagen, in dieser Hinsicht ist in diesem Land noch viel Luft nach oben

Ja, und dann war er plötzlich da. Und fast ein bisschen enttäuscht. Das Google Hauptgebäude, vom äußeren her eher ein unspektakulärer Backsteinbau. Die Rezeption kleiner und bescheidener als die meisten Hotellobbys, die er hier erlebt hat, aber wundersamer Weise genauso zugänglich, auch mit Rad an der Hand. Gerade dieses unspektakuläre Entree des Unternehmens machte es ihm nochmal sympathischer.


Er hatte einen ziemlich dicken Klos im Hals, als er der Frau hinter dem Schreibtisch klar machte, dass er das und das gemacht hat. Und vielleicht sei ja einer der CEO‘s zufällig im Haus, mit dem er ein paar Minuten reden könnte, so vom ganz anderen Ende der Nahrungskette her, dieses, in seinen Augen, außerordentlichen Unternehmens. Man kann so denken, aber es muss ja nicht funktionieren. Hat es auch nicht und er gibt zu, dass es eine ziemlich bekloppte Idee war.


Christian konnte ihn auch nicht ins Gebäude lassen, aber er freute sich für den Chronisten und wollte unbedingt ein Selfie. Der Chronist würde sagen, aus höflicher Zurückhaltung machte Christian keine Angaben zur Standardfrage

Um seinen Followern am Ende wenigstens einen ansehnlichen Anblick zu liefern, war er um die Ecke zum Visitorcenter weitergefahren. Das unscheinbare Hauptquartier hat Google nicht selber gebaut, sondern von einem Pleiteladen übernommen und nur innen umgestaltet. Das Gebäude hier, in dem das Visitorcenter nur ein kleinster Teil ist, ist eines der ersten, nach eigenen Vorstellungen ziemlich spektakulär gebauten Bürogebäude.



Ja, und hier endet seine Linie entlang des Achtunddreißigsten.

https://www.relive.cc/view/vKv2nmDok4v

Danke!!!

Danke jetzt schon einmal, Lea!!! Ohne dich gäb‘s das hier nicht.

Übermorgen fliegt er zurück. Er freut sich sehr auf die Heimat und die Leute da drin. Im Flieger hat er Zeit, sich ein Nachwort auszudenken und zu Hause wird er seine Umfrage noch irgendwie auswerten. Morgen kurbelt er durch die Nachbarschaft aus Microsoft, NASA, Apple und Co und wird euch damit nicht behelligen. Er muss sich noch drei Rollen Haushaltsfolie besorgen und hofft, dass die Leute von DELTA Airlines damit glücklich sind. Bis denne.

Bleibt noch ein bisschen dran.

Dienstag, 4. Juni 2024

TBJ_16 Zwischen LA und San Francisco

Eine Reise ist keine Aneinanderreihung von Höhepunkten. Und nach Las Vegas ist erstmal runterkühlen nötig. Von Mrs. Paris schönem Pool und der Rooftopbar musste der Chronist kilometerlang durch die ganze Herrlichkeit des Glitzers und Getöses Richtung Flughafen zum Busterminal. Riesige Casinos, riesige Hotels, Fontänen und rauschende Wasserfälle, riesige elektronische Billboards, die einen mit ihren Weißblitzen ziemlich erschrecken. Jetzt hat er es einmal leibhaftig gesehen, sogar aus dem Rennradsattel. Haken dran.


Stadtpolizei; ein Bild, mehr war nicht drin. Der Bus fährt gleich

Irgendwie unbegreiflich, diese Kunstwelt mitten in der Wüste. Unbegreiflich auch, wie man sich das als Alterssitz aussuchen kann, wie das ältere Pärchen, das anfangs in Able&Baker neben ihm saß. Man kann zum Beispiel ja nicht mal vor die Stadt und im Wald spazieren gehen. Es gibt keinen!


Der Chronist sitzt im Greyhound zwischen Los Angeles und San Francisco. Der jetzige Fahrer ist der Hit. Durchaus schon grauhaarig, eine seriöse Figur mit asiatischen Wurzeln, rappt er die Ansagen zu den Regeln, zu den Haltestellen und andere Begebenheiten ins Mikrofon. Der Chronist kann nicht anders und muss klatschen.

Draußen ist es bewölkt und langweilig platt. Links Obstplantagen, rechts Obstplantagen, der Mittelstreifen der Interstate ein Blütenmeer aus rosa, roten und weißen Oleanderbüschen. Zwischen solchen Städten ist der Transportbedarf hoch, der Bus entsprechend voll. In LA sprang der Chronist dem Reisetod durch Regelverstöße noch mal gerade so von der Schüppe. Es war seine zehnte Greyhoundtour, aber das Personal wollte sich noch mal auf die Hinterbeine stellen. „The bike has to be in a box!“ Obwohl er ja als Umsteiger mit der Foliensparverpackung hergekommen war. Es wäre die Boxvariante sowieso Quatsch. In diesen Bussen der Marke Prevost ist für die heutigen Koffergrößen viel zu wenig Stauraum. Ein Rennrad in Box würde ein halbes Fach blockieren. „Ich kenne dich jetzt“, sagte der Einweiser. „Beim nächsten Mal kommst du nicht mit!“


An dieser Stelle wird der Chronist mal etwas frech. Wer immer das auch blockiert, dass hier andere Bushersteller in den USA nicht den Fuß in die Tür bekommen, ist dumm. Jedes europäische Überlandfahrzeug hat Stauraumhöhen, dass das Rad drin stehen könnte und diese geteilte Frontscheibe hat man in Europa schon seit den achtziger Jahren nicht mehr.


Was der Chronist die ganze Reise unterschlagen hat: Von New York bis nach hier ist auch ganz viel Südamerika im Lande. Alle Hinweise, von der Toilette bis in den Supermarkt oder in den Bus sind zweisprachig, englisch und spanisch. Und die Menschen sind allgegenwärtig. Als armer Teil der Bevölkerung sitzen sie in großer Zahl mit dem Chronisten im Bus, oft ohne Englischkenntnisse. Sie sind einfach da und machen, besonders hier im Süden, einen großen Teil der Bevölkerung aus. Neben ihm sitzt Gabino, keine vierzig Jahre alt, seine Herkunft ist Mexiko. Er spricht perfekt Amerikanisch, startet gerade mit einem Verwandten ein Umzugsunternehmen mit einem Lastwagen. Für ein symmetrisches Lächeln fehlen ihm vorne zwei Zähne. Bei seinen  Einkommensverhältnissen wird das wohl so bleiben. Er ist unterwegs zur Graduierungsfeier einer Nichte. Gabino ist politisch nicht interessiert, beklagt sich aber auch nicht. Seine Antwort ist: 0-0-100. Ein Foto von sich möchte er nicht.


Wenn es im Moment auch langweilig ist, auf Palo Alto, und Google Plex freut sich der Chronist und überlegt sich, sich noch heute auf‘s Rad zu schwingen, um im Tal der Schnelldenker einen Tag mehr zu haben. Erstmal in Tracy einen Kaffee und was Süßes nehmen und weitersehen.


Es ist jetzt Abend. Er ist in Tracy geblieben! Die Idee war gut, der Wind aber von der Sorte aus dem Blasebalg, der für eine Mund-zu-Mund-Beatmung gereicht hätte. Also hat er beschlossen zu bleiben, nach Kaffee und Kuchen und nach einem Friseur zu suchen. Die Stadt macht einen wohnlichen Eindruck, sauber, schöne Grünanlagen, eine Art altes Kino als Art Center. Überhaupt legt ihm diese Idee, in großen Städten anzukommen und in Tagesdistanz dazu zu starten, eine Perlenkette gemeinhin unbekannter, aber oft sehr charmanter Kleinstädte vor die Füße. 


Der Friseurladen gleich zu Beginn hatte eigentlich zu, aber die Chefin war mit ihren Töchtern im Laden, fragte ihn komplett aus und schickte ihn um die Ecke zu einem Barber. Sie hieß Samantha, offenbarte ohne zu zögern 0-0-100 und wollte kein Foto, obwohl es sicher eine Bereicherung der Bildersammlung geworden wäre. Ihre beiden kleinen Töchter schickt sie auf eine Privatschule. Als der Chronist seine Abneigung gegen diese Klassentrennung äußert, liefert sie den Grund. Auf den kommunalen Schulen wird keine Religion gelehrt, was ihr aber ein Anliegen ist. Eine moderne jung Frau!

Auf den Barber muss er warten. Auf ausgezeichnete kleine Küchlein einer kleinen asiatischen Bäckerin, mit entwaffnendem Lächeln und einem ganz präzise geflochtenen dicken, schwarz grau melierten Zopf nicht. Zusammen mit einem Americano, „bitte nur halb Wasser“, ein Genuss!


Carlos legt mit Sorgfalt und Können Hand an des Chronisten Kopf. Der will ja morgen bei Mr. Google nicht als Vogelscheuche auftauchen. Natürlich muss auch der Barber gefragt werden und liefert, was sonst 0-0-100. Er ist in den Staaten geboren, mexikanischer Herkunft und dreiundzwanzig Jahre alt. Er mag Mesut Özil und Toni Kroos und interessiert sich für kulturelle Gemeinsamkeiten. Klar, ein Foto gerne und ich solle ihm das bitte schicken.



Carlos weiß was er tut

Zwischen Los Angeles -da ist er nur umgestiegen- und San Francisco -da will er gar nicht hin- liegt das Hauptquartier von Google. Für den Chronisten der Inbegriff der jüngeren enormen Umwälzung der Alltagswelt und das Werkzeug, das ihm diese Art der fragmentarischen Welterkundung überhaupt möglich macht. Heute Abend wird er deswegen auch noch mal waschen, um für den Besuch bereit zu sein. Was immer sie bereit sind, ihm dort  zu zeigen oder ob sie ihn überhaupt einlassen.

Dann ist auch bald gut! 

Euer Berichterstatter, live aus Tracy.


Klo bei Mrs. Paris H. und im Quality Inn

PS: Davon hat solche Art zu reisen reichlich: Dolle Unterschiede

PSS: Im Fernsehen läuft gerade Fußball. Deutschland Ukraine, übertragen vom pro Trump Sender Fox, englisch kommentiert, witzig die Namensaussprache.

Montag, 3. Juni 2024

TBJ_15 130 km Asphaltfeinbeton - Las Vegas

Las Vegas? Ja, kenn‘ ich. Bin ich mal mit dem Rennrad hingefahren ;-) So oder ähnlich stellt sich der Chronist künftige Small Talks zu dem Thema vor. Er hat es sich hart erkämpfen müssen. Aber am Ende war es einfacher als gedacht.

Er hat vor fünf Uhr früh das Casino in Mesquite verlassen. Im Saal waren noch immer oder schon wieder Leute am spielen. Die Luft war warm, es war noch dunkel. Das erste Mal in seiner Reisegeschichte machte er sich Musik am Lenker an, Radio Pittsburgh. Die Interstate 15 lief perfekt. Brandneuer Asphaltfeinbeton, eine Oberfläche, die ihn fast einhundertdreißig Kilometer begleiten sollte. Ein Qualitätsbegriff, den sich jedes Mitglied eines Kommunalparlamentes einhämmern sollte, wenn es um die Ausstattung von Radwegen geht. Nichts darunter akzeptieren.


Früh los, genau die richtige Entscheidung

Auch wenn die Temperatur noch erträglich war, macht dem Chronisten die geringe Luftfeuchtigkeit zu schaffen. Sechs Prozent ist nichts. Er müsste außer trinken sich ständig Feuchtigkeitscreme zuführen. Dummes Zeug. Durch ihr Schattenspiel in dieser zerklüfteten Landoberfläche lieferte die Sonne einen zwar kurzen aber spektakulären Auftritt.


Die Shoulder war wegen der hohen Geschwindigkeiten zwar sauber, aber der Dreck liegt einfach fünf Meter daneben im Schotter. 


Keine Abwechslung, elende Aussicht, weil sie so weit reicht

Es gab zwei Service-Stationen auf der Strecke, die die größte Not linderten. Und es gab rätselhafte Hinweise auf der Strecke.


Sonst gab es wenig Unterhaltung

Zwischendurch sah er Draht in der vertrockneten Landschaft: Hochspannungsleitungen, die den Strom riesiger Solarparks abführen.


Sah eher wie ein See aus, Solarpark

Nach der letzten Auftankmöglichkeit standen noch achtunddreißig Kilometer auf der to-do-Liste. Der Chronist bekam lange Zähne. Aber am Ende, wie so oft, war es zu ertragen. Erstens ging es ab Kilometer einhundert bergab und es tauchte die Silhouette der Stadt auf, die ihn magnetisch einsaugte. Die verschlungenen Hochstraßen und die vielen Ab- und Auffahrten bei reichlich Verkehr sorgten noch mal für Bluthochdruck, aber dann stand er vor der Tür: Atomic Style Lounge. Er wollte ja zum Friseur. Gegen ihn war diese weltweite Übereinkunft aller Friseure: Sonntags sowieso und besonders Montags haben wir zu!

Man kann nicht alles haben. 


https://www.relive.cc/view/vdvmJgyzkNO


Zu. Trotz, dass es verlockend aussah, dafür wird er nicht noch mal herkommen.

Es ist vieles Atomic in dieser Gegend, in die ihn die Friseuradresse geführt hat und zack war der Ausgleich da. Er fühlt sich für einen Ankommerdrink eingeladen von der Brauereiwirtschaft ABLE BAKER. Able und Baker waren die Codenamen für die beiden ersten Atombombenversuche um die Ecke. Und so war nicht nur der Friseur atomic, sondern vieles an dieser Straße, wie auch die beliebte Biersorte Atomic Duck.


Eine Ente soll nach einer der Explosionen unversehrt in die Stadt gewackelt sein: die Atomic Duck

Weil er ohnehin heute hier heimatlos bleiben wird, ließ er sich an diesem Hochtisch nieder, um den Bericht weiter zu schreiben und bei dieser Gelegenheit seine Interviews zu führen. 


Cashmere und Ronald beeindruckten ihn mit einer Kleinigkeit: Sie beteten vor dem Essen

Die beiden waren für längere Zeit liebenswürdige Nachbarn, obwohl der Chronist nichts von ihrer Unterhaltung aufgeschnappt hat. Wollte er auch nicht. Cashmere lebt hier und arbeitet als Marketingfrau, Ronald ist Coach. Beide sind für 0-0-100. 

Irgendwie heikel wird es, als sich ein Pärchen aus Virginia gegenüber niederließ. Sandy und Grover. Was der Chronist ungefähr verstand, war, dass Sandy die Vereinnahmung Jesus`, die unabhängig von des Chronisten Idee, scheinbar besonders durch Mr. Trump geschieht, nicht gefällt. Sie zeigte ihm einen aktuellen Facebookpost, den er hier der Vollständigkeit halber einfügt. 


Bei uns eher weniger bekannt: Die Einbeziehung von Religion in diesen Wahlkampf

Sandy gab auch keine Zahlen, ihr Mann war da eher hemdsärmelig und lieferte eine völlig neue Variante.


Grover: 0-0-5

Der Chronist als Hans im Glück. Er wird nicht in Las Vegas übernachten. Um viertel vor Zwölf heute nacht geht sein Bus nach Tracy, dem letzten Etappenstart. In Los Angeles muss er umsteigen. Es stinkt ihm schon am Kopf unordentlich weiter zu müssen. Was ihm ganz zuwider ist, ist verschwitzt, versalzt und dreckig vierzehn Stunden im Bus zu sitzen. Also ist seine Idee in den großen Hotels nach Poolbenutzung zu fragen. Je größer und je feiner, je großzügiger ist man meistens. Dreimal schickt man ihn weg, auch im Westgate.


Durfte nicht in seinen Pool

Eine unscheinbare kleine Collegeschülerin hinter dem Servicedesk des riesigen Conrad Resort, zu der der Chronist unter Umgehung der Schlange am Check-in gegangen ist, zog ungerührt zwei Magnetkarten unter dem Tisch hervor, schrieb Pool drauf und gab sie ihm. 


Hans im Glück

Sein Rennrad gab er Juan in Aufbewahrung und jetzt sitzt er, sein Glück kaum fassend, geduscht und entspannt auf der Poolliege. So viel Handtücher, wie der Poolservice ihm geben wollte konnte er gar nicht naß machen. Übrigens, er sieht albern aus. Die gnadenlose Sonne hat ihm die Beine und Arme geschwärzt. Er sieht aus, als ob er im Vierfüßlerstand in Zartbitterschokolade gebadet hätte.

Hoch über ihm an der riesigen Hotelfront läuft eine gigantische, digitale Bilderschau. Der Pool macht um acht zu. Vielleicht die Bar am Infinitypool nicht, die mit dem Blick auf den güldenen Trumptower. Doch macht sie!

Dank an Paris H.



Weil die Bar im 66. Stock noch durch eine Privatfeier blockiert ist, schlendert der Chronist durch das gigantische Erdgeschoss.


Halb besoffen von Glitzer

Am Ende hat es noch fûr eine Bloody Mary im 66. gelangt. Nach Vorlage des Ausweises. Der Chronist war dankbar und hat es ziemlich genossen.


Über den Dächern der Stadt 

TBJ_99 I did it my way (even on a highway)

Liebe Follower, eine letzte Post vom Chronisten. Wer immer auch bis hierhin mitgereist ist. Schön, dass es euch gibt. Man ist ja ungern alle...